Brief 1, 18.12.2024

Hallo ihr da draußen.

2 Tage sind nun vergangen, seit der beeindruckenden Mahnwache am Montag und ich konnte noch nicht zur Feder greifen. Diese bunte VertreterInnen so verschiedener Umwelt- und sozialer Gruppen machten deutlich, wie breit das Spektrum ist, in dem wir uns im Protest als auch im Gestalten einer neuen Gesellschaft bewegen.

Boris erklärte anhand von Gandhis Widerstand die Kriterien des zivilen Ungehorsams, des gewaltfreien Widerstandes, auf deren Grundlagen ich meine Aktionen auf den Passauer Straßen machte.

Dass über 50 FreundInnen zu dieser Verabschiedung mit Singen und Mitteilen bei einer Mahnwache kamen, hat mich die letzten 2 Tage getragen.

Erst jetzt komme ich langsam so vorsichtig hier in der JVA an. Heute gab es die ersten Treffen mit dem Sanitäter, dem Arzt der Sozialbetreuung und der JVA-Psychologen, bei denen ich all meine Wünsche vortragen durfte, z.B. vegane Ernährung, die bis jetzt hier noch nicht vorgesehen ist, ein Abend­essen ohne Brot, weil ich das nicht gut vertrage, und Bücher und Adressheft aus dem Depot, in das alle meine Sachen bis auf Brille und Briefmarken eingeschlossen wurden.

Über sogenannten Anträge kann ich diese Wünsche alle nochmals schriftlich einreichen. Auf deren Antwort warte ich noch. Damit sind alle meinen persönlichen Dinge, auch alle Kleidungsstücke im Depot.

Die Stimmung hier im Knast ist relativ entspannt. Einer der Schließer vermittelte mir, dass sie es anstreben, achtsam mit einander umzugehen, dann entstünden auch keine Stresssituationen. „Hört sich gut an“ war meine Reaktion, später mehr, ob das alles wirklich so ist.

In den ersten 2 Tagen habe ich sehr viel geschlafen. War wohl nötig. Die ersten Runden im Innenhof der Gebäude drehte ich heute. Eine Stunde vormittags können wir uns dort bewegen – umgeben von 3 hohen grauen Gebäuden und zwei hohen Drahtzäunen mit Stacheldraht und Betonmauer. Keine so prickelnde Umgebung, eher integriert im Beton als in der Natur. Eben bekam ich einen Anruf von meiner Rechtsanwältin, die sich nach meinem persönlichen Befinden fragte und ob sie mich aktuell bei irgendwas unterstützen könnte. Soweit ist alles ok, was auch so bleiben kann.

Macht’s gut – bis zum nächsten Brief

Karl

Kommentare

2 Antworten zu „Brief 1, 18.12.2024“

  1. Avatar von Petra Brixel
    Petra Brixel

    Danke für das Haft-Tagebuch, das verbindet. Zumindest von draußen nach drinnen. Auch wenn Karl es so wollte, ganz bewusst, ist es eine Katastrophe. Justiz-Irrtum? Nein, ganz bewusstes Vorgehen. Deckel drauf. So wird Widerstand zugunsten der Nachwelt und Natur abgetötet. Das ist nicht neu. Das ist gewollt. Aber wir wollen ja nicht hassen, das würde Karl nicht wollen.

  2. Avatar von Chris
    Chris

    Hallo Karl,

    ich lesen Dein Tagebuch, nachdem ich die Aktion Deiner Mitstreiter nahe dem Viktualienmarkt in München zufällig miterlebt habe. Dein Schritt ist konsequent und er wird hoffentlich später einmal gewürdigt werden.

    Aber derzeit sehe ich – wie auch Du – wenig Verständnis dafür, daß überall ein generelles Undenken stattfinden muss.

    Nicht nur in der Politik, sondern vor allem im Denken der Allgemeinheit. Egal ob jund und somit direkt betroffen, als auch älter und für das, was kommt mahmend.

    Ich wünsche Dir viele gute Erkenntnisse durch die Zeit in der JVA. Wenn man wenig aktiv tun kann, hat das Hirn Zeit für passive Vorbereitungen. Ebenso drücke ich Dir und unserem Klima die Daumen, daß man Eure Aktionen bald positiv wahrnimmt.

    Noch herrscht diese Idee, das wären einfach ein paar Spinner, die den normalen Lauf der Welt stören. Aber das ist normal : Jeder, dem man etwas seiner Bequemlichkeit nimmt, reagiert zuerst verärgert.

    Gruß aus einer weiteren denkenden Ecke der bequemen Welt,

    Chris

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