Weiter mit Brief 4, 15.01.2025
Hallo Ihr,
ich hoffe, ihr hattet alle ein paar schöne Feiertage und konntet im Kreise eurer Familie etwas Ruhe einkehren lassen.
Bei mir hat sich nach 2 Wochen auch so eine Art Alltag, Regelmäßigkeit eingestellt. Die Tage waren sehr entspannt, weil auch die Menschen hier sehr entspannt waren.
Weihnachten im Knast ist nicht sehr aufregend: Gottesdienst in einem Versammlungsraum der JVA mit Christbaum und klassischer Musik (nicht live) und eine Tüte mit Weihnachtsplätzchen, Schokolade und Kaffee, gespendet von der evangelischen und katholischen Kirche am Heiligen Mittag waren hier die Zeichen, die auf Weihnachten hinweisen. Für mich war das passend für dieses Jahr. Sehr angenehm war das schöne Wetter. So konnte ich doch wenigstens eine Stunde am Tag die warmen Sonnenstrahlen genießen.
Im Innenhof des Rundgangplatzes sind zwei Tischtennisplatten aufgestellt, wo wir abwechselnd spielen können. Das sind eine der Highlights des Tages, wenn ein Platz frei wird.
Vielen Dank für eure Briefe und Postkarten, die weitere Highlights am Tag sind. Es freut mich sehr, mich mit euch auf diesem Weg zu verbinden. Leider schaffe ich aktuell noch nicht, alle Briefe zu beantworten, sind zu viele, was mich natürlich freut. Manche wollen wissen, wie meine Zelle so aussieht:
Meine Zelle ist 5m lang und 2m breit, wenn ich die Stahltür von der Gangseite öffne, sehe ich vor mir ein relativ breites Fenster, das „normal hoch“ ist, und zusätzlich noch dicke Metallstäbe als Gitter. Auf der rechten Seite des Raumes steht ein zweitüriger Kleiderschrank mit blauen Türen; anschließend ein Holzbett mit Matratze, die auf einem Holzbrett liegt. Auf der linken Seite ist eine Toilette fest eingebaut mit Türe.
Anschließend ist ein Handwaschbecken an der Wand mit Spiegel angebracht. Rechts davon steht mein Fernseher auf einem ca. 1,20 m breiten und 80cm hohen Regal, wo alle meine Schreibutensilien untergebracht sind. Als Schreibplatz schließt sich eine blaue Platte bis zur Fensterfront an. Das Fenster kann mit dem blauen Vorhang verdunkelt werden. Das ganze hat also den Charakter eines Zimmers einer Jugendherberge.
Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich den Innenhof, wo wir täglich eine Stunde unseren Rundgang machen können und in voller Front dann ein weiteres hohes und breites Gefängniswohngebäude. Um noch was anderes zu sehen als Gebäude und Gitterstäbe, muss ich an die Ecke schauen. Dann kann ich über einen Teil von Kempten schauen und im Hintergrund sogar die Alpen erkennen. Der Innenhof ist von drei Seiten mit hohen Gebäuden abgegrenzt und die vierte Seite mit einer sehr hohen Mauer mit Stacheldraht und davor noch zwei hohe Zäune mit Stacheldraht.
Ja, ich leiste mir für ca. 19 EUR im Monat einen Fernseher. Es ist wie mit vielen Sachen, die Mensch so hat, dass es darauf ankommt, wie Mensch damit umgeht. Mir ermöglicht dies neben Briefe lesen und schreiben und Bücher zu lesen, mich auf den aktuellen Stand des weltweiten Geschehens zu bringen, aber auch über Sender wie Arte und Phönix Dokumentationen und auch mal einen Spielfilm anzuschauen. Da ich ein Liebhaber von Sport allgemein und speziell auch Wintersport bin, erfreue ich mich an den Übertragungen. So ermögliche ich mir „das beste daraus zu machen“, ohne abgestumpft und leer und frustriert nach 5 Monaten wieder raus zu kommen.
Es gibt hier einen Ordner mit all den Büchern, die Mensch aus der Bibliothek ausleihen kann. Zur Zeit lese ich eines über Gandhi und „Selbst denken – eine Anleitung zum Widerstand“. Ich war auch überrascht, als ich das entdeckte. Grundsätzlich habe ich mir vorgenommen, eher eine beobachtende Rolle hier einzunehmen, als eine aktive auf was zugehende. Das ermöglicht mir, Situationen eher zu erspüren und zu merken, was bei mir in eine positive oder distanzierende Resonanz kommt. So mache ich das auch mit den Kontakten zu den Inhaftierten, wo ich sehr zurückhaltend bin und Situationen eher kommen lasse, z.B. bei Kontakten beim Tischtennisspielen oder bei Tausch von Lebensmitteln mit dem Zimmernachbarn. Mir ist klar, dass ich es mit Menschen zu tun habe, die mehrere Jahre hier sind oder waren. Da haben sich bei dem einen oder anderen Gewohnheiten eingeschlichen, in die ich nicht eingreifen will. Jemand hat mir erzählt, dass er schon 17 Jahre im Knast war. Das hat mich dann doch etwas geschockt.
Jetzt über die Feiertage sind auch die arbeitenden Inhaftierten mit beim Rundgang dabei. Auf unserem Innenhof sind es dann ca. 50-60 Personen. Ein großer Teil ist so zwischen 25-30 Jahre alt. Der Rest verteilt bis 45 Jahre. Über 60 Jahre gibt es so viel wie niemanden. Die Schließer sind meist auch jünger wie 40 Jahre und es gibt auch ein paar jüngere Schließerinnen.
Ein weiteres Highlight kann das Essen sein. „Vegan is nicht“ war die Aussage. Auch über einen Antrag auf veganes Essen kam von einem Schließer, der auch in der Küche arbeitet, die Aussage, dass dies hier nicht möglich ist.
Gegen meine Gewohnheiten, kein Brot zu essen, hatte ich das doch versucht, da es abends und morgens nur Brot mit Käse oder Marmelade gibt. Ich habe das nicht vertragen, egal welches Brot, und esse zur Zeit nur Mittagessen weitestgehend fleischfrei, das einzige, was es derzeit gibt. Da ich abends wenigstens ein wenig essen will, vor allem auch ballaststoffreiche Nahrung, habe ich mir beim Einkauf jetzt Müsli und Reismilch bestellt. Ich werde da weiter versuchen, an dem Thema vegane Ernährung auch im Knast, dran zu bleiben. Schau mer mal.
Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr 2025 und möge es bei euch gut beginnen!
Karl
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