Brief 6, 24.01.2025

Weiter mit Brief 7, 25.01.2025

Liebe MitstreiterInnen und Interessierte,

heute möchte ich euch mal ein paar willkülich gesammelte Blitzlichter aus den vielen Briefen, die mich alltäglich erreichen und die ich nicht alle beantworten kann, zufliegen lassen. Wir können daraus auch zwischen den Zeilen lesen, wie so unsere Knastaktionen bei ganz unterschiedlichen Menschen, ob ganz Junge aus der FFF-Bewegung, von jungen Erwachsenen teilweise mit Familien oder von Jung und Alt – Oldies aus der „LG“ (Letzte Generation) oder vollkommen Unorganisierte und einfach bewegt, sich angesprochen fühlen und oft dankbar sind, ihre Solidarität ausdrücken zu dürfen.

Meist kommt am Schluss noch der Satz, dass sie sehr dankbar sind für unsren Aktivismus, Konsequenz und Klarheit und dass sie dieses Thema in ihre Freundeskreise weitertragen. Dieses „Danke“ ergeht auch an uns alle in der „LG“, an die vielen MitstreiterInnen und AktivistInnen, auch im Hintergrund.

Auszüge aus Briefen:

Wir haben in der Ringkirche unsere Sorge um die Schöpfung vorgestellt und erklärt, warum wir bei der „LG“ mitmachen und durften über mehrere Monate ein Banner aufhängen, auf dem stand: „Wäre Jesus ein Klimaaktivist?“…

… Am Heiligen Abend haben ein paar Menschen aus unserer Wib eine Mahnwache für euch an der St. Stephanskirche in Mainz abgehalten – siehe Fotos – dies ist ein starkes Zeichen der Hoffnung für uns alle – ihr signalisiert, dass euer / unser Kampf weitergeht, weitergehen muss…

… bin 18 Jahre alt und schreibe gerade meine vorwissenschaftliche Arbeit zum Thema „Ziviler Ungehorsam im Wandel der Zeit“… Ihr habt es geschafft, ein unbequemes Thema ins Zentrum der gesellschaftlichen Diskussion zu rücken – das ist eine Leistung, die nicht hoch genug geschätzt werden kann…Ich bin mir sicher, dass eines Tages auch eure Aktionen als entscheidender Teil des Kampfes gegen die Klimakrise betrachtet werden… Mir ist es ein Bedürfnis, euch dies zu schreiben, auch soll es ein Zeichen der Verbundenheit sein und euch hoffentlich etwas Kraft geben, die Zeit im Gefängnis zu überstehen. Aber das größte Weihnachtsgeschenk für unsere Kinder kam dieses Jahr von euch, auch wenn sie das nicht wissen und vielleicht auch gar nicht wissen wollen… Was kann man sich noch wünschen? Uns hat eure Klarheit beeindruckt, das ist das Eine. Das Andere ist für einander da zu sein… So lange es noch Leben gibt, lohnt es sich dafür zu kämpfen: für Freiheit, Gerechtigkeit und alles, was gut und schön ist. Danke…

… Aber das macht ja auch deutlich, dass mir euer Einsatz, euer Mut und eure Entschlossenheit sehr , sehr viel bedeutet! Haltet durch! Was ihr getan habt, ist vollkommen richtig gewesen und rettet ein bisschen auch die Würde Deutschlands… Ich schreibe euch, weil ich mich schäme, dass mir der Mut zum letzten Schritt – für mich „Ziviler Ungehorsam“ – fehlt. Ich ringe jede Woche.im Kontakt mit meinen XR (Extension Rebellion)-MitaktivistInnen darum, an welchen Aktionen ich mich beteilige… Andererseits engagiere ich mich an vielen Stellen für ehrlichen Klimamanagement und dabei seid ihr – ehrlich – meine Vorbilder… Jeder kleinen Schritt ist wichtig und bewirkt „etwas“, sage ich dann. Euer selbstloses und mutiges Handeln hilft mir sehr, nicht aufzugeben, mich immer wieder zu motivieren für den Schutz unserer (Rest-) Lebensgrundlagen gewaltfrei zu kämpfen.… Für meinen Teil habe ich meine Anstellung bei Airbus gekündigt und arbeite derzeit im Quereinstieg als Lehrer in einer Freien Schule und versuche, ein kleines Solarbusiness aufzubauen, indem ich bei Selbstmontage von Solaranlagen beratende und planend unterstütze…

Von mir (Karl): Ja, wir können auch in der JVA wählen, heute habe ich ein Merkblatt dafür bekommen. Ich gehe davon aus, dass alles klappt.

… Es ist ein bisschen nervig, nach wie vor so viel Zeit in den Umgang mit Repressionen stecken zu müssen, wo ich lieber meine Zeit in eine lebenswerte Zukunft und gerechte Gesellschaft investieren möchte. Es gibt wirklich kaum ein schöneres Gefühl in so schwierigen Zeiten, all seinen Mut zusammen zu nehmen und gegen die Vernichtung der menschlichen Zivilisation aufzustehen. Dieser bunte Haufen an Menschen, der jetzt auch durch die Proteste gegen die AFD nochmal weiter wächst, ist der letzte Schutz unserer Gesellschaft. Dieser bunte Haufen ist gelebte Demokratie…

Von mir (Karl): Ja, das mit der vielen Zeit für Prozessvorbereitung und -nachbereitung ist oft sehr nervig, der Prozess selber kostet auch viel Kraft, vor allem die negativen Urteile, das geht uns alle auch so. Ich habe die Hoffnung, dass die mittlerweile 5 Klagen beim Verfassungsgericht angenommen werden und für uns positiv ausgehen (in ein oder zwei Jahren). Mit all unseren anderen Prozessen in dem wir weiter unsere unschlagbaren Argumente vorbringen, bereiten wir einen wertvollen Boden für die 5 Klagen vor.

… Wir hier draußen sind auch nicht frei. Keiner ist frei, solange einer von uns noch eingesperrt ist und eine Gesellschaft, die Gefängnisse braucht, ist bekanntlich auch nicht weiter als ein großes Gefängnis. Hier draußen ist keiner wirklich frei, nicht mal die MilliardärInnen, die sind SklavInnen des Geldes. Menschen wie ihr seid immer noch am freisten, sogar im Gefängnis, denn ihr habt den Mut, euch gewaltfrei für das Wohl aller einzusetzen, Mutter Natur ist bei euch, ihr seid unbesiegbar! Die euch eingesperrt haben, sind die Unfreien. Ihr seid die Freien, egal, wo ihr seid…

… ich möchte selbstverständlich bekräftigen, dass nicht ihr in Haft sein sollt, sondern jene, die die Energiewende verhindern und die Transformation verschleppen. Ich möchte euch danken für euren Mut, eure Überzeugung und dafür, dass ihr uns gezeigt habt, dass es wichtig ist, nicht weg zu sehen, selbst wenn es unbequem wird. Liebe Grüße aus Österreich…

.. umso froher bin ich, nun eines der United World Colleges besuchen zu dürfen. Dort kommen stipendiengeförderte SchülerInnen aus der ganzen Welt zusammen, die wirklich einen Unterschied machen. Hier lernen und leben wir, kommend aus 80 Ländern, gemeinsam, um uns für eine friedliche und nachhaltige Welt einzusetzen. So wünsche ich mir, dass Aktionen von euch in Zukunft nicht in Vergessenheit geraten. Aber vor allem, dass sie so bald wie möglich nicht mehr notwendig sind…

… erfahre ich, dass du für 5 Monate in die JVA Kempten eingerückt als „Mahnwache für den Frieden“. Ich wünsche dir alles Gute für diesen so wichtigen „Gottesdienst hinter Gittern“…

… (es geht ums Briefeschreiben) denn ich nehme an, dass diese viele Solidarität und der Zusammenhalt die Menschen in der Gefängnisverwaltung doch irgendwie berührt. Freundinnen und Freunde, natürlich, aber das Großartige ist doch, dass es auch fremde Menschen sind wie ich, die euch nicht kennen und euch und der Welt doch zeigen: Ihr seid nicht allein…

… „Bergisch Gladbach für Solidarität und Demokratie“: Wir stehen wochenends in der Fußgängerzone und versuchen, den Menschen den Rücken zu stärken: zu zeigen, es gibt auch eine funktionierende Zivilgesellschaft…

… ich danke euch für euren Einsatz für uns alle und bewundern eure Gradlinigkeit und eure Entscheidung, unseren Staat damit zu konfrontieren, dass er jemand einsperrt, der seiner Überzeugung verpflichtet, gewaltfrei vor der Klimakatastrophe gewarnt hat/warnt. Ihr seid die Personen, die den Feueralarmknopf gedrückt haben und dafür bestraft werden, während die Brandstifter und Verursacher der Klimakatastrophe weiterhin „zündeln“ dürfen. Ich bin als Lehrerin in Spanien beschäftigt. Die schlimmen Überschwemmungen, die wir dieses Jahr in Südspanien hatten (auch unsere Schule war mehrere Tage geschlossen) haben wieder verdeutlicht, worauf wir zusteuern. In meiner eigenen Familie sehe ich außerdem, wie unter anderem durch eure Überzeugungsarbeit und Engagement Denkprozesse angestoßen werden und selbst ehemalige extrem konservative Menschen (z.B. meine bayrische Schwiegermutter) auf einmal kritischer über die dort herrschende Regierung und ihre Klimapolitik denkt…

… Ich komme eben vom Parteitag der AFD zurück und kann sagen, dass wir dort eine tolle Atmosphäre der Demokratie geschaffen haben und mit unseren Blockaden ziemlich erfolgreich waren. Ich habe nach und nach gemerkt, wie wichtig mir das Thema Klimaschutz und des damit verbundenen gewaltfreien Widerstands geworden ist. Ich habe mein Studium abgebrochen und studiere jetzt etwas, was mir wirklich was bringt, um die Welt wenigstens ein kleines Bisschen in die „richtige“ Richtung zu schieben…

Eigentlich gehören die Zerstörer unseres Lebens in die Knäste, denn sie sind die eigentlichen Täter und mit ihrem blinden Zerstörungsstrukturen verletzen und ermorden sie nicht nur heutige Generationen, berauben sie menschenwürdigen Lebens. Und da ist es auch leider logisch, dass die maßgeblichen PolitikerInnen und Medien zu noch mehr Warten und Zerstörung aufrufen und gigantische Gelder für Tötungsmaschinen und Zerstörungsmittel verausgaben. Das ist extreme Nekrophilie. Das ist barbarisch, unser Grundgesetz verletzend, Völkerrecht und Verträge verletzend. Die Schicksalsfrage der Menschenart scheint mir zu sein, ob und in welchem Maße es ihrer Kulturentwicklung gelingen wird, der Störung des Zusammenlebens durch den menschlichen Aggressions- und Selbstvernichtungstrieb Herr zu werden… Edgar, Soziologe, Nachhaltigkeits- und Transformtionswissenschaftler

von mir (Karl): Vielen vielen Dank für eure ehrlichen und authentischen Worte. Ihr wisst gar nicht, wie mich das erfüllt und ich merke, wie ihr oft auch aus meinem Herzen sprecht. Vielen Dank dafür und für eure Solidarität. Das geht sicher auch vielen von euch auch so. Das tut so, so, so gut

Fortsetzung folgt, ganz liebe Grüße aus der Zelle 9

Karl

Weiter mit Brief 7, 25.01.2025