Brief 4, 15.01.2025

Weiter mit Brief 5, 16.01.2025

Hallo Ihr da draußen,

Bei uns war der Jahreswechsel wenig spektakulär. Die Zellentüren wurden wie an jedem Abend um ca. 20 Uhr geschlossen und im neuen Jahr morgens um 8:00 Uhr wieder geöffnet – das war es.

Dadurch, dass die 4-stöckigen Gebäude in U-Form mit der offenen Seite Richtung Kempten ausgerichtet sind, hat sich der Lärm aus Kempten „echoisiert“ und der Lärm der Kracher war entsprechend laut. Ab so gegen 1-2 Uhr legte sich dieser. Was mir ermöglicht hat, einschlafen zu können.

Für mich hat das Jahr, was die Rahmenbedingungen anbelangt, Entspannung gebracht. Seit ein paar Tagen bin ich in den offenen Vollzug in ein anderes Gebäude umgezogen. In diesem Haus leben die „Freigänger“, die nachts weiter hier schlafen, und tagsüber draußen bei der Stadt oder in Betrieben arbeiten. Sie sind meist nur noch ein paar Monate inhaftiert, bevor sie entlassen werden. In Vorbereitung für das Leben draußen sind hier die Vorgaben und Regeln/Vorschriften nicht so streng wie vorher, z.B heißt offen, die Zellentüren werden nicht abgeschlossen, haben also ganz normale Türklinken.

Ich kann die Türe zumachen oder offen lassen., so wie ich’s gerade brauche. Morgens gegen 5:30 Uhr öffnet ein Wächter mit einem „guten Morgen“ die Türe, dann kann ich mich wieder umdrehen und weiterschlafen, abends gegen 20 Uhr geschieht das Gleiche.

Mich hat das laute Auf- und Zuschließen oft genervt, in dem anderen Haus und ich bin jetzt froh, dieses Geräusch fast nicht mehr hören zu müssen. Das hört sich im ersten Augenblick nach einer Kleinigkeit an, wenn es dich aber was nervt, warum auch immer, kann es doch sehr nervig werden.

Da die Freigänger tagsüber nicht da sind, ist es recht ruhig im Gang, was mir sehr entgegenkommt. Wenn ich aus dem Fenster rausschaue, kann ich zwar auch Gitter entdecken und einen ca. 5m hohen Zaun, aber ohne Stacheldraht und ohne hohe Mauer.

Hinter dem hohen Zaun befindet sich eine kleine Zugangsstraße zu einem Parkplatz für die Autos der Beschäftigten der JVA. Und hinter der Stichstraße stehen Bäume und Sträucher.

Das macht was mit einem, nicht mehr nur die mit Gittern versehenen Gebäudewand zu sehen, sondern auch wieder Bäume und Sträucher. Von dem her gab es einen sehr kleinen Schritt in die richtige Richtung im neuen Jahr. Noch sind es 17 Wochen, die ich noch absitzen muss.

Eben hörte ich die Nachricht von dem Urteilsspruch über Trump, der zwar schuldig gesprochen wurde, mit Rücksicht auf sein Ansehen aber für ihn dieser Spruch keinerlei Konsequenzen hat. Wie doch Recht gebogen werden kann und je nach Status unterschiedlich angewandt wird. Das hört sich nicht gut an und lässt die Tür der Willkür offen, was so Trumps sicher ausnutzen.

Was mich als inhaftierter Klimaaktivist aktuell besonders beschäftigt, ist die Gleichzeitigkeit mit der Meldung, dass jetzt offiziell das völkerrechtlich bindende Ziel von 1.5° C Erderwärmung gerissen ist und die verheerenden Brände in Los Angeles mit Toten, 10 000 verbrannten Häusern und Tausenden von Bäumen und Sträuchern und Tieren und 150 000 Evakuierungen bis jetzt. Welches Leid und Traumatas werden hier aufgrund der Ignoranz des Klimanotstands verursacht. Nach aktuellen Infos können die Brände nicht schnell gelöscht werden, d.h. das Sterben geht weiter, nicht nur in Los Angeles.

Welche Konsequenzen werden daraus gezogen? Wahrscheinlich immer noch keine und die ersten Schuldigen werden ja schon benannt, um von dem eigenen Versagen der eigener Untätigkeit abzulenken und einer dieser Menschen wird demnächst Präsident der USA und leugnet meines Wissens immer noch den Klimawandel, weshalb jetzt intensiv fossile Energien weiter gefördert und verbrannt werden. Das tut weh!! Widerstand?!!

Wir haben in 6 Wochen die Chance, in der BRD die Menschen wählen zu können, die erkannt haben, neue Wege weg vom weiter so hin zu einer menschen- und naturüberlebenden Entwicklung zu gehen. Da gibt es leider nicht viele Parteien, die diesen Weg weitestgehend konsequent gehen. Die Meilensteine dieses Survivalweges sind nach meiner Wahrnehmung eine Symbiose folgender Schritte:

=> Umstieg auf eine neue konsequente und schnelle Klimapolitik mit:

  • Weg von fossilen Energien, hin zu Energie aus Sonne und Wind mit Wärmepumpen und Speichern
  • Aufklärung und Entwicklung von Plänen, wie der Energieverbrauch auf allen Ebenen des Verbrauchs, kommunal, Industrie und privat, in Richtung 30-50% reduziert werden kann
  • Entwicklung einer neuen Warenwirtschaftssystem des Postwachstums und Degrowth, mit anderen Leitbildern als im Kapitalismus, schrittweise Auflösung von Kapital- und Machtstrukturen der Großbetriebe in Richtung Mittel- und Kleinbetriebe
  • Entwicklung von intelligenter Mobilität, weg von Individualverkehr hin zu öffentlichem Nah- und Fernverkehr, der flächendeckend ausgebaut wird.
  • Weiterentwicklung der Klein- und mittelgroßen, nach biologischen Gesichtspunkten und tierrechtgerechtenen Kriterien betriebene Landwirtschaft, die dezentral in den Dörfern und um die Klein- und Großstädte angegliedert werden, um die Bevölkerung regional zu versorgen
  • Statt Einfamilienhäuser zu bauen, können brachliegende Industriegebäude zu Wohngemeinschaften und Lebensgemeinschaften umgebaut werden
  • Statt Beton kann Altholz und Neuholz beim Bauen verwendet werden und nur noch Baustoff aus regionalen Materialien
  • Umbau der Autostädte zu Wohnstädte
  • Rückbau der Autobahnen und breiten Straßen zu menschenfreundlichen Lebensflächen
  • Auflösung der immer größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich, zwischen Industriestaaten und Ländern des globalen Südens und Stopp des Neokolonialismus der Schwellenländern und „Entwicklungsländern“
  • Entwicklung von im weitesten Sinn friedenschaffenden Maßnahmen ohne Waffen ohne Aufrüstung und ohne Abschreckungspolitik, die weiter Hass und Angst erzeugen: die Leitbilder der gewaltfreien Kommunikation werden nicht nur im Persönlichen Rahmen eingesetzt, sondern auch in den zwischenstaatlichen Beziehungen; zwischenstaatliche Blockbildungen werden aufgelöst und werden nicht mehr gebildet. Unter Einbindung von diplomatischen Maßnahmen in einem ständigen Prozess nach dem Vorbild der OSZE-Verhandlungen im ehemaligen Ost-West-Konflikt.

All diese Themen auf die Schnelle und verkürzt dargestellt, bringt mich zu dem Entschluss, weiter die Linke zu wählen, sie versucht, all diese Punkte miteinander zu denken und zu verbinden.

Mit herzlichen Grüßen

Karl

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