Hallo ihr da draußen,
noch 20 Tage bis zum 15.5, dem Entlassungstag. Da werde ich wahrscheinlich morgens gegen 7:30 Uhr rausgelassen.
Wow! Wie wird das wohl sein? Auf jeden Fall freue ich mich drauf. 5 Monate Knast, körperlicher Freiheitsentzug, ist schon heftig. Ich glaube, das ich die nächsten 3 Wochen noch gut rumbekommen werde. Mir geht es den Umständen entsprechend relativ gut, kann es natürlich kaum mehr erwarten, bis die JVA-Tür hinter mir zugeschlagen wird.
Auch bin ich gespannt, wie es mir die ersten Tage und Wochen danach geht. Natürlich plane ich jetzt schon und werde die Zeit ruhig und mit netten Menschen um mich herum und mit viel Natur und Sonne beginnen.
Jetzt möchte ich mich bei all den lieben Menschen, die mich all die Zeit vor und während der Knastzeit so toll unterstützt haben, recht herzlich bedanken.
- Danke an all die Briefschreiberinnen, die mir eine persönliche Verbindung zu den Menschen draußen hergestellt haben. Für die tolle Solidarität. Auch die vielen schönen Erzählungen, Bilder, Gedichte, Lieder, persönlichen Erlebnisse aus ihrem Alltag. Das hat mir das Gefühl gegeben, dass so viele Menschen, ob bekannt oder unbekannt, ob jung oder alt, teilgenommen haben an dieser „politischen Aktion“. Sie haben mir das Leben hier menschlicher und integriert in einer tollen solidarischen Bewegung erträglicher gemacht.
- Danke alle, die mich auf der organisatorischen Eben unterstützt haben, z.B. Winfried, der den Block online eingerichtet und gepflegt hat, alle meine handschriftlichen Briefe in den Blog eingestellt hat, die Menschen um Leonie der Lebensgemeinschaft aus Sulzbrunn, die die Besuchsinteressen, Buchzusendungen organisiert haben und irgendwelche Anfragen beantwortet haben.
- Danke an alle aus der Signalgruppe aus der letzten Generation, die mich und meine beiden Söhne sowohl inhaltlich, persönlich als auch juristisch betreut haben und sich darüber vernetzt haben.
- Danke an Josephine und Maya und Maja, die mich so toll juristisch beraten haben, sowohl in Knastfragen als auch in der Kampagne „Veganes Essen für alle Menschen auch im Knast ermöglichen“, woraus ein juristisches Verfahren über das Landgericht Kempten, jetzt aktuell beim Oberlandesgericht, und falls das auch dort abgewiesen wird, ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht angestrengt wird.
- Danke an alle, die die Unterschriftenaktion unterstützt haben, so dass ich zwar nicht ein rein veganes Essen hatte, aber die Küche sich bemühte, mir mittags ein laktosefreies Essen zu kochen und mir als Ersatz für Abendessen und Frühstück mir Rohkost wie Möhren, Gurken, Paprika, Zucchini und Obst in Form von meist Äpfel zukommen zu lassen.
- Danke für die Mahnwachen an verschieden Orten in ganz Deutschland zu unseren Inhaftierungen, z.B. an die Münchner, Kemptener, Ulmer, Maizer, Stuttgarter…, vielleicht sind es noch mehr, die ich nicht mitbekommen habe.
- Danke an die Menschen, die mir mehrere und persönliche Briefe geschrieben haben, die mich sehr berührt haben und die mir halfen, die persönlichen Beziehungen aufrecht zu erhalten und oft auch zu vertiefen und neu entstehen zu lassen.
- Danke an alle, die ich hier jetzt nicht aufgeführt habe.
Ihr alle habt mit dazu beigetragen, dass es mir persönlich half, die Zeit hier gut zu überstehen, mir die Inhaftierung kurzzeitig wahrnehmen zu lassen. Ihr habt mit dazu beigetragen, diese Aktion zu einer gemeinsamen politischen Aktion mit eurer Solidarität werden zu lassen.
Die Lobbyisten, die Politikerinnen, und deren Repressionsapparat wie die nicht faire Rechtsprechung und Vollzugsanstalt haben es nicht geschafft, uns zu demütigen und uns vom weiteren politischen Einwirken abzuhalten. Ja, Haftstrafe kostet Kraft für die Inhaftieren, aber je solidarischer die Menschen sich um die Inhaftierten reihen, je leichter ist es für diese. Das habe ich mit all eurer Unterstützung gespürt und dafür bin ich euch sehr dankbar. Gemeinsam sind wir stark!
Ich möchte diese Verbindung zu euch nicht abrupt abbrechen lassen und biete an, dass ihr mich weiter auf Wunsch auch nach der Freilassung unter eebraig@web.de erreichen könnt, ab 16.5.2025
Sorry, dass ich viele Briefe nicht beantworten konnte. Ich wollte mich bewusst nicht unter Druck setzen, damit es mir bestmöglich geht. Das hat sich bewährt.
Falls ihr im Raum Stuttgart lebt, möchte ich euch auf mindestens eine schon festgemachte Veranstaltung hinweisen. Freunde aus meiner Stuttgarter Zeit habe für den Montag, 30.6.2025 nach der Montagsdemo zu S21 auf dem Schlossplatz im Kunstverein eine Diskussionsveranstaltung geplant, mit der ehemaligen Justizministerin Frau Däubler-Gmelin, mit der erfahrenen Rechtsanwältin Maja Beisenherz zu Prozessen der letzten Generation, mit mir (Haft) und mit jemand aus der Gruppe der neuen Generation Stuttgart, wo es um Repression im Kampf zur Eingrenzung des Klimanotstands und um die Wege und Visionen der „neuen Generation“ gehen wird. Details kommen noch.
Mitspracherecht des Inhaftieren im Knast? Dass es so was gibt, da kommt Mensch nicht gleich drauf, wenn er den Alltag hier erlebt. Längst haben wird vernommen, dass es möglich ist, einen Gefangenenvertreter auch in unserem Haus, dem „Freigängerhaus“, zu wählen bzw. zu bestimmen. Das habe wir jetzt gemacht und einen Antrag gestellt, die von uns auserwählte Person in dessen „Geschäftsräume“ ein zu weisen. Bis jetzt hatten wir ein zufällig zustandegekommenes „Gangtreffen“ mit mehreren Inhaftierten und einem Schließer. Mit der Einrichtung des Gefangenenvertreters versprechen wir uns die Möglichkeiten, ab und zu uns alle gemeinsam zu besprechen und Unklarheiten, Stresssituationen intern auszutauschen und auch Rahmenbedingungen im Alltagsleben zu besprechen. Ob wir da eine Möglichkeit haben, auch offiziell in Gremien der JVA unsere Anregungen und Wünsche ein zu bringen und mit welcher Wirkungskraft, wissen wir noch nicht. Ob das nur eine Alibiveranstaltung wird. – Schauen wir mal. Sehr große Hoffnungen auf Einwirkungskraft versprechen wir uns nicht. Knast ist ein sehr geschlossenes System, d.h. das ganze System funktioniert weitestgehend nach Befehl und Gehorsam.
Je nachdem, wie der Schließer drauf ist, aber welche Persönlichkeit da einem gegenübersteht, ist es möglich, ein offenes Gespräch zu führen oder auch gar nicht.
Dies gilt nicht nur im geschlossenen Knast, sondern auch im offenen Knast. Ein Mithäftling erzählte mir kürzlich, dass er schon seit einem ¾ Jahr auf ein Gespräch mit einem Sozialpädagogen wartet. Ob das repräsentativ ist, weiß ich nicht. Es gibt noch die Möglichkeit mit dem Gefangenenbeirat zu sprechen, wenn Mensch nicht weiterkommt in den internen Strukturen. Das sind zwei Personen des politischen Spektrums, z.B. Vertreter aus dem Kreistag. Grundsätzlich herrscht hier schon eine Stimmung, die oft von Angst geprägt ist. Fehlverhalten werden meist mit Abmahnungen geahndet und wenn das dann nochmals vorkommen sollte, gibt es im Knast mehrere Möglichkeiten, „Freiräume“ noch weiter zu beschränken. Dazu gibt es verschieden Gänge bzw. Hausabteilungen, die dafür bestimmt sind. Es gibt im geschlossenen Vollzug Abteilungen, in denen es soviel wie keine Aufschlüsse gibt, d.h. du bist Tag und Nacht eingeschlossen, das Essen wird dir durch eine kleine Tür in der Tür durchgereicht, meist ohne Kommentar. Die Strafe geht auch über Reduktion der Kommunikationsmöglichkeiten. Noch krasser ist die Situation im „Bunker“. Das ist dann eine Zelle, in der eine Matratze auf dem Boden liegt und im Boden ein Loch als Toilette. Alles andere ist dort bewusst nicht integriert, da es wohl dort immer wieder vorkommt, dass Inhaftierte, die ihre angestaute Aggressionen rauslassen, in dem sie alles kleinschlagen. Diese Infos bekam ich von Inhaftieren, die schon mal als Reiniger dort gearbeitet haben. Ich selber bekam bis jetzt erst eine Abmahnung, als ich gegen eine Verordnung gegen die Nutzung des Telefons verstoßen habe. Es gibt bei uns im Freigängerhaus ein Zimmer mit zwei Tischen, auf dem 2 Telefone stehen. Wir können laut Vorschrift 30 Minuten in der Woche von außen tagsüber an ganz bestimmten Stunden angerufen werden. Immer nur werktags außer samstags. Dazu liegt eine Liste, in die du die Zeit eintragen musst, wann du telefonieren willst. Ganz am Anfang hatte ich mich mal nicht eingetragen. Die Abmahnung sollt mir sagen, dass ich bei weiterem Verstoß wieder in den geschlossenen Vollzug muss. Es bleibt euch überlassen, selbst einzuschätzen, ob 30 Minuten Gesprächsmöglichkeiten mit lieben Menschen draußen in einem Freigängerhaus dem Anspruch eines weichen Übergangs in die „Freiheit“ genügt. Zur Info, im Freigängerhaus kommen Menschen vom geschlossenen Vollzug, wenn sie noch ein paar Monate ihre Strafe absitzen müssen, nichts Schlimmes gemacht haben, und damit in einen langsamen Übergang in das Leben draußen kommen sollen. Nach dem Gespräch auf dem Gang mit dem Schließer, wo wir diese Verordnung auch sehr stark hinterfragten, ist es zu einer gewissen Weichheit in der Anwendung dieser Vorschrift gekommen. Ähnlich wird mit der Vorschrift, eine Stunde Hofgang pro Tag, verfahren. Da prallen einfach ganz menschliche Bedürfnisse nach den Vorstellungen eines jeden Menschen, der von draußen kommt, gegen das klassische Denken, Knaststrafe muss auch über das Einsperren hinaus sich auch im alltäglichen Ablauf als Strafe definieren, so meine Wahrnehmung und Einschätzung. Dass solche Vorschriften und in meinen Augen viele fehlende Maßnahmen nicht zu einer Resozialisierung führt, also die Menschen nicht zu selbstständig denkenden Menschen anleitet, liegt auf der Hand. Das haben mir mehrere Schließer bestätigt. Ein Pfarrer einer anderen Justizvollzugsanstalt sagte mir, dass mindestens 95% der in so einem Vollzug inhaftierten Menschen nach seiner Wahrnehmung nicht dem Anspruch der Resozialisierung gerecht begleitet werden. – Ja, so funktioniert Knast und Abschreckung – ein weitestgehend geschlossenes System – nach meiner Wahrnehmung und Einschätzung.
Jetzt noch 19 Tage.
Da freue ich mich schon darauf.
Wir sehen uns, auf der Straße und sonstwo…
Karl